Mittwoch, 11. Juli 2012

Hallo, Freunde! - Hallo, Ilja!

In den Siebziger Jahren, besonders in den frühen Siebziger Jahren, war im Fernsehen die Disco mit Ilja Richter so etwas wie eine Pflichtsendung, wenn man so um die zwölf oder dreizehn Jahre alt war. Es traten zahlreiche bekannte Bands in der Sendung auf, die meisten dürften aber zu Playback oder Halb-Playback auf die Bühne gekommen sein. Inzwischen hatte ich die Musik, die in der Disco gespielt wurde, längst vergessen. Bis gestern Abend, denn da gab es ein wundersames Wiedersehen.

Ich war nur kurz im Wilddieb und wollte gleich wieder aufbrechen. Plötzlich flimmerten die Disco-Sendungen ab 1971 über einen Bildschirm. Irgendwo im Internet gibt es die ganzen Musikstücke, ohne Ansagen und Geplauder aneinandergereiht. Wir sahen uns mit ein paar Leuten die ersten Stücke an und kamen prompt nicht mehr von der Glotze los. Es war wie eine Zeitreise, die uns in die Kindheit zurückversetzt hatte. Wir begannen damit, Interpreten und Titel zu erraten, bevor sie eingeblendet wurden. Unglaublich, aber ich konnte fast alle benennen. Auf einmal waren sie unversehens wieder in meinem Kopf. Vielleicht war das, was damals in musikalischer Hinsicht öffentlich-rechtlich präsentiert wurde, noch nicht so beliebig wie heute.

Einiges aus dem Disco-Mischmasch gefällt mir heute noch, anderes ist geradezu schauerlich, mancher Auftritt gar unfreiwillig komisch. Wie habe ich die Sachen wohl damals aufgenommen, als ich gerade erst angefangen hatte, Musik zu hören, und bei meinen Eltern nichts anderes lief als Schlager? Ey, ich hasse Schlager, heute noch.

Es ging von Inga & Wolf über Golden Earring, Gilbert O'Sullivan, Les Humphries Singers und Nazareth bis zu den Bay City Rollers. Selbst die waren im Gegensatz zu heutigen Boys Bands in der Lage, ihre Instrumente festhalten zu können. Da war die wunderbare Vicky Leandros und ein Udo Jürgens, von dem ich mir nicht vorstellen kann, daß er jemals so jung gewesen ist. Es gab unvermeidliche Acts wie Abba, Boney M und Brotherhood of Man, bei deren Choreographie ich in schallendes Gelächter ausbrach, dazu Country-Schnulzen von Don Williams und Big Band Sound von Showaddywaddy, die famose Suzi Quatro und meine allererste Lieblingsband Smokie, die damals schon im klassischen Line-Up auftrat: zwei Gitarren, Baß und Schlagzeug. Gräusliche Schlagerkost von Julio Iglesias, Rex Gildo und Costa Cordalis wurde vergessen gemacht durch richtig gute Singer/Songwriter wie Albert Hammond, der nur mit akustischer Gitarre Down by the River spielte, oder  Ralph McTell, den ich vor Jahren einmal im Alten Wartesaal gesehen habe, mit dem formidablen Streets of London.

Wir ließen uns tatsächlich vier Stunden lang gefangen nehmen. Nachher überlegte ich, ob eine solche Kombination aus Pop, Rock und deutschem Schlager im Fernsehen wohl heute noch - oder wieder - funktionieren würde. Ich kann es mir gut vorstellen. Allerdings gehöre ich heute mit Sicherheit nicht mehr zu der passenden Zielgruppe.

1 Kommentar: